„Offene Klever“: Mit wem wurde diese Entscheidung abgestimmt?
Bürgermeister Gebing hat am 7. April 2021 den Rats- und Ausschussmitgliedern mit einem Schreiben angekündigt, „nunmehr zum üblichen Sitzungsverfahren überzugehen und mit den Fachausschüssen wie gewohnt zu tagen.“ Diese Entscheidung des Bürgermeisters hat bei der Fraktion Offene Klever keine Begeisterungsstürme ausgelöst. Im Gegenteil: Der OK-Fraktionsvorstand hat dem Bürgermeister folgendes Antwortschreiben übermittelt:
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
in Ihrem Schreiben vom 07.04.2021 bezüglich „Durchführung Rats- und Ausschusssitzungen“, verweisen Sie darauf, dass Ihnen „Rückmeldungen“ aus den Fraktionen vorliegen. Wir wundern uns: Welche Abfrage hat es hierzu wann gegeben? Und warum ist die Fraktion „Offene Klever“ dazu nicht befragt worden? Wieso ist zu diesem Thema keine Fraktionsvorsitzenden-Konferenz einberufen worden?
In Ihrem Schreiben verweisen Sie auch auf die Entscheidung des Landes, die epidemische Lage bis zum 31.04.2021 zu verlängern. Wie passen diese zwei Punkte für Sie zusammen? Die Landespolitik erkennt zurecht an, dass die aktuelle Lage keinen Grund gibt, zum Normalmodus zurückzukehren; im selben Schreiben kündigen Sie Ihre (?) Entscheidung an, „nunmehr zum üblichen Sitzungsverfahren überzugehen und mit den Fachausschüssen wie gewohnt zu tagen.“
Mit wem haben Sie diese Entscheidung besprochen und abgestimmt? Mit den Ausschussvorsitzenden?
Für uns, als Fraktion „Offene Klever“, passt das alles nicht zusammen.
Wir hätten das Thema „Corona in Kleve“ gerne und jederzeit mit Ihnen und allen Fraktionen in einer Fraktionsvorsitzenden-Konferenz online besprochen. Wir hatten und haben dazu seit Herbst 2020 immer wieder Vorschläge gemacht und Anregungen gegeben. Sie haben es offensichtlich für verzichtbar gehalten, darüber auch nur mit uns zu sprechen, geschweige denn, unseren Antrag so zu behandeln, wie es die Geschäftsordnung vorsieht.
Wir bedauern, dass die Fraktionsvorsitzenden-Konferenz seit dem 5.01.2021 nicht mehr getagt hat. In vielen Kommunen laden die Bürgermeister/innen die Fraktionen regelmäßig zu Informationsrunden zum Thema „Corona“ ein.
Wäre es nicht erstrebenswert und in gewisser Weise auch vorbildlich, wenn Bürgermeister und alle Ratsfraktionen sich regelmäßig (virtuell) an einen Tisch setzten und den Klever/innen das Zeichen geben könnten, dass in diesen schweren Zeiten Rathaus und Rat das Gemeinsame betonen? Wäre es nicht ermutigend für viele, die das Vertrauen in demokratische Entscheidungsprozesse zu verlieren drohen, wenn wir alle die „res publica“ in den Mittelpunkt gestellt und uns demonstrativ und lösungsorientiert um einen Tisch versammelt hätten?
Stattdessen befinden wir uns einer Situation, in der wieder und immer öfter gefordert wird: „Einer entscheidet!“ Demokratische Prozesse und Institutionen werden als hemmend, kompliziert oder wenig effizient dargestellt und wahrgenommen. Und die Stadt Kleve, mit ihrem Bürgermeister an der Spitze, trägt ihren Teil dazu bei, einen Politikstil zu propagieren, der im Kern anti-demokratische Affekte weckt, anspricht und verstärkt: der Bürgermeister entscheidet. Und die Ratsmitglieder? Die Fraktionen? Alles nur Ballast?
Es liegt uns fern, Ihnen, verehrter Herr Gebing, zu unterstellen oder gar vorzuwerfen, bewusst auf diesen anti-demokratischen Affekt zu setzen, um ihn für sich nutzen zu können. Aber Sie sollten sich dessen schon bewusst sein, dass Sie durch Ihr unabgestimmtes Vorgehen den Status der Fraktionen entwerten, ganz zu schweigen vom Status der Ratsmitglieder.
Ihr Agieren, ohne wenigstens den Versuch gemacht zu haben, sich mit allen demokratischen Kräften im Rat abzustimmen, ist leider auch widersprüchlich: Es ist für uns unverständlich, warum der Test vor einer Sitzung nicht verpflichtend wird.
Wie wollen Sie dem Infektionsrisiko begegnen, wenn es keine verbindlichen Tests durch die Stadt vor jeder Sitzung gibt, wenn es weiterhin jedem und jeder selbst überlassen bleibt, sich zu testen? Wer kontrolliert diese Selbsttests? Können Sie nach einem Selbsttest Vorsatz beim Vortäuschen eines negativen Testergebnisses ausschließen? Warum gibt es das Testangebot nicht wenigstens für Besucher/innen der öffentlichen Sitzungen, also an Ort und Stelle? Wieso können solche Tests am Sitzungstag nicht durch den Betriebsarzt der Stadt durchgeführt werden?
Unsere Verwunderung, wie Sie, sehr geehrter Herr Bürgermeister, in deutlichem Gegensatz zu Ihren Amtskolleginnen und -kollegen aus anderen Städten, seit Ihrem Amtsantritt am 1.11.2020 mit den Auswirkungen und Herausforderungen der weltweiten Pandemie hier in Kleve umgehen, mögen Sie zur Kenntnis nehmen oder auch nicht. Unsere Appelle, Vorschläge und Angebote zur Zusammenarbeit sind offensichtlich ungehört verhallt. Sie waren ernstgemeint.
Wir wissen nicht, welche Quellen und Informationskanäle Sie Ihrer lokalen „Corona-Strategie“ zugrunde gelegt haben. Wir hätten uns auch darüber gern mit Ihnen und den Fraktionen ausgetauscht. Wir können im Interesse der Menschen in Kleve nur hoffen und wünschen, dass Sie sich nicht irren.
Die „Offenen Klever“ können Ihren offensichtlichen Optimismus leider nicht teilen.
Wir wünschen Ihnen dennoch, dass Sie Ihre Entscheidung, nunmehr zum üblichen Sitzungsverfahren überzugehen, mit den Fachausschüssen wie gewohnt zu tagen und vor Sitzungen keine verpflichtenden Schnelltests durch die Stadt zu organisieren, nicht bereuen müssen.
Mit freundlichem Gruß
Udo Weinrich, Fraktionsvorsitzender
Marco Hendricks, stellv. Fraktionsvorsitzender