Aufhebung des beschränkten Zugangs zu Sitzungsunterlagen des Vergabeausschusses (ABGELEHNT)

Antrag für den Haupt- und Finanzausschusses am 20.01.2021:

CDU, die Grünen, SPD und AfD haben abgelehnt:

Der Haupt- und Finanzausschuss der Stadt Kleve beschließen:

„Allen Ratsmitgliedern muss unverzüglich im Ratsportal der Stadt Kleve auch der unbeschränkte Zugang zu allen Tagesordnungen und Sitzungsvorlagen des Vergabe- und Betriebsausschusses gewährt werden. Dieses Zugangsrecht umfasst auch die Nutzung der Recherche-Funktion und den Zugang zu den entsprechenden Vorlagen der Ratsperiode 2014 bis 2020.

Begründung:

Dem Haupt- und Finanzausschuss sind gem. § 60 Abs. 2 der Gemeindeordnung die Aufgaben des Rates übertragen worden.

Beim „Vergabe- und Betriebsausschuss“ handelt es sich um einen Ausschuss, den der Rat der Stadt Kleve am 2.11.2020 unter dem TOP 6 „Installation der Ausschüsse“ gebildet, unter dem TOP 7 „Bildung der Ausschüsse“ ausschließlich für Ratsmitglieder vorbehalten und unter dem TOP 8 „Wahl der Mitglieder und der stellvertretenden Mitglieder der Ausschüsse gemäß § 50 Abs. 3 Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen (GO NRW)“ mit 11 Ratsmitgliedern besetzt hat.

Der „Vergabe und Betriebsausschuss“ ist ein Ratsausschuss, der in der soeben abgelaufenen Wahlperiode zu 83 Sitzungen zusammengekommen ist; zum Vergleich: zwischen 2014 und 2020 haben lediglich 47 Ratssitzungen stattgefunden. Beim „Vergabe- und Betriebsausschuss“ handelt es sich um ein vom Rat gebildetes Gremium, dem offensichtlich große Bedeutung zukommt. Seine Zuständigkeiten sind in der Hauptsatzung eher allgemein umschrieben (§ 11 Abs. 3):

„Der Vergabe- und Betriebsausschuss ist zuständig für alle in seinem Geschäftsbereich anfallenden Angelegenheiten, soweit nicht nach der Hauptsatzung der Bürgermeister zuständig ist oder im Einzelfall vom Rat der Stadt Kleve für zuständig erklärt wird.“

Eine vom Rat beschlossene Zuständigkeitsordnung ist nicht bekannt.

Ebenso unbekannt ist die vom Vergabe- und Betriebsausschuss in Anspruch genommene Ermächtigung, anstelle des Rates oder Haupt- und Finanzausschusses sogenannte Dringlichkeitsentscheidungen gem. § 60 GO NW zu genehmigen oder aufzuheben. Das bedeutet in der Praxis:

  • Bei allen Angelegenheiten, für die – offensichtlich ohne konkrete Definition durch den Rat – der Vergabe- und Betriebsausschuss zuständig ist, kann ein Ratsmitglied nur dann Kenntnis von „Dringlichen Entscheidungen“ des Bürgermeisters mit einem Ratsmitglied bzw. von deren Genehmigung oder Aufhebung (!) durch den Vergabe- und Betriebsausschuss erlangen, wenn es Mitglied oder mindestens stellv. Mitglied dieses Ausschusses ist.

Tagesordnung und Unterlagen zu Sitzungen werden im „Ratsportal“ der Stadt Kleve nur dann eingestellt, wenn es sich um öffentliche Sitzungen handelt. Das ist jedoch die Ausnahme.

Der Regelfall besteht darin, dass nichtöffentliche Sitzungen anberaumt werden. Dann ist jedoch in dem für Mandatsträger/innen vorbehaltenen Teil des Ratsportals der Zugang zur Tagesordnung und zu den Sitzungsunterlagen des Vergabe- und Betriebsausschusses limitiert: nicht jedes der 54 Ratsmitglieder kann hier Tagesordnungen und Sitzungsvorlagen einsehen, sondern nur ein Kreis von 20 Ratsmitgliedern und einer sachkundigen Bürgerin:

Ordentliches Mitglied:                           Stellvertretung:
Werner Verhoeven (CDU)                        Gerd Driever (CDU)

Werner Liffers (CDU)                               Georg Hiob (CDU)

Angelika Kanders (CDU)                          Norbert Sanders (CDU)

Bastian Linsen (CDU)                              Udo Janssen (CDU)

Dr. Hedwig Meyer-Wilmes (GRÜNE)        Benedikt Verheyen (GRÜNE)

Hannes Jaschinski (GRÜNE)                   Wiltrud Schnütgen (GRÜNE)

Michael Bay (GRÜNE)                             Susanne Siebert (GRÜNE)

Petra Tekath (SPD)

Heinz Boskamp (SPD)

Marco Hendricks (OK)                             Udo Weinrich (OK)

Hans-Heinrich Krebber (FDP)

Beratendes Mitglied:

Katrin Seifert (AfD)                                  Gerd Plorin (AfD)

Wie die Fraktion „Offene Klever“ festgestellt hat, ist ihren Ratsmitgliedern Anne Fuchs und Britta Schütt der Zugang zu diesem Teil des Ratsportals zurzeit noch verschlossen. Wir nehmen an, dass diese Beschränkung nicht nur die Ratsmitglieder der OK-Fraktion betrifft, die nicht dem Vergabe- und Betriebsausschuss angehören, sondern Ratsmitglieder aller Fraktionen gleichermaßen.

Aufgrund des Ausschlusses der Ratsmitglieder Frau Fuchs und Frau Schütt von der uneingeschränkten Einsichtnahme in Tagesordnung und Sitzungsvorlagen des Vergabe- und Betriebsausschusses stellt die Fraktion „Offene Klever“ fest:

  1. Die Mitwirkung der Fraktion „Offene Klever“ an der „Willensbildung und Entscheidungsfindung in der Vertretung“ (§ 56 Abs. 2 Satz 1 GO NW) ist nicht möglich, da nur zwei der vier Ratsmitglieder über das Ratsportal Einsicht in Tagesordnung und Sitzungsvorlagen des Vergabe- und Betriebsausschusses nehmen können. Um diese Willensbildung überhaupt herbeiführen zu können, bedarf es sowohl des organisatorischen Rahmens einer Fraktionssitzung als auch der Zurverfügungstellung des uneingeschränkten Zugangs jedes Ratsmitglieds zum Ratsportal der Stadt Kleve. Die sachgerechte Ausübung des Rechts der Ratsmitglieder zur Entscheidung über einen Beschlussgegenstand setzt die Möglichkeit zu umfassender Information über die Entscheidungsgrundlagen voraus.
  2. Die Ratsmitglieder Anne Fuchs und Britta Schütt, die sich mit anderen zur Fraktion „Offene Klever“ zusammengeschlossen haben, haben dadurch – nach anerkannter Rechtsprechung – mitgliedschaftliche Teilnahmerechte erworben. Ein Mitgliedschaftsrecht ist „ein mit der Zuweisung und Verteilung von Kompetenzen verliehenes Recht“ (OVG Münster, Urteil vom 02.02.1972). Als Ratsmitglieder, die nicht dem Vergabe- und Betriebsausschuss angehören, können sie sich auf das ihnen kraft ihrer organschaftlichen Stellung als Ratsmitglieder zukommende Recht auf Information über den Beschlussgegenstand – hier die Information über die Tagesordnung und über die Sitzungsvorlagen – berufen.
  3. Zu den Mitgliedschaftsrechtes eines Ratsmitglieds gehört nicht nur das Stimmrecht, sondern auch das „Mitberatungsrecht“. Dieses Mitberatungsrecht wird durch Vorenthalten des Zugangs zur Tagesordnung und zu den Sitzungsvorlagen des „Vergabe- und Betriebsausschusses“ durch die Stadtverwaltung Kleve faktisch außer Kraft gesetzt.
  4. Das OVG Münster entschied am 5. Februar 2002 zu dem Informationsrecht eines Ratsmitgliedes (Urteil 15 A 2604/99). Hier stellte es zunächst fest, dass ein „Informationsrecht“ eines Ratsmitgliedes in der Gemeindeordnung zwar nicht ausdrücklich geregelt ist, dem Ratsmitglied zur Ausübung seines Mandates aber selbstverständlich ein Informationsrecht zur Verfügung stehen muss. 

„(…) Das Informationsrecht des einzelnen Mitgliedes der Vertretungskörperschaft dient nicht nur einer größtmöglichen Richtigkeitsgewähr hinsichtlich der zu treffenden Entscheidung, sondern auch dem Schutz etwaiger Minderheitenpositionen. Nur durch eine möglichst umfassende und unterschiedslose Informationsmöglichkeit aller Mitglieder wird eine praktikable Möglichkeit eröffnet, eigene und vom Mehrheitsvotum abweichende Vorstellungen einzubringen und eine geänderte Beschlussfassung zu erwirken (…).“ (Rdnr. 84 zum Urteil 15 A 2604/99)

Die Praxis der Stadtverwaltung, die – auch und insbesondere unter Bezugnahme auf die §§ 30 bis 32 GO NW – keine Rechtsgrundlage in der Gemeindeordnung findet, beschränkt die umfassende und unterschiedslose Informationsmöglichkeit aller Mitglieder des Rates auf einen kleinen Kreis. Diese Praxis beeinträchtigt dadurch u.a. die Möglichkeit der Fraktion „Offene Klever“, eigene und vom Mehrheitsvotum abweichende Vorstellungen einzubringen und eine geänderte Beschlussfassung zu erwirken. Sie verletzt die Ratsmitglieder Anne Fuchs und Britta Schütt in ihren Mitgliedschaftsrechten.

Die „Offenen Klever“ beantragen deshalb, den beschränkten Zugang zu Sitzungsunterlagen des Vergabe- und Betriebsausschusses sofort aufzuheben.