Stellungnahme von Ratsmitglied Anne Fuchs in der Ratssitzung am 26. Juni 2019:
Liebe Bürgermeisterin, meine Damen und Herren, zu Beginn jeder Ratssitzung dürfen Bürger und Bürgerinnen Fragen stellen – zwar nicht an ihre gewählten Ratsmitglieder, sondern nur an die Verwaltung. Aber immerhin: fragen dürfen sie.
Jedoch ausschließlich zu Themen, die nicht auf der Tagesordnung stehen.
Ausgerechnet das auszuschließen, was Bürger und Bürgerinnen akut betrifft, erscheint den „Offenen Klevern“ widersinnig. Unser Mitglied Max Knippert hatte deshalb den Antrag gestellt, das Fragerecht sinnvoll zu erweitern, und zwar um Fragen zu den Beratungsthemen einer Ratssitzung.
Darüber wurde am Montag im Ausschuss für Bürgeranträge „beraten“.
Der Kämmerer, Herr Haas, und die Bürgermeisterin argumentierten vehement gegen den Antrag. Ob Zufall oder nicht: beiden fiel ausgerechnet im Kontext dieses Antrags das Wort „Empörungskultur“ in den Mund, vor deren Ausbreitung sie offenbar warnen wollten.
Frau Northing sah sich sogar veranlasst, ein flammendes Bekenntnis zur repräsentativen Demokratie abzugeben, ganz so, als könnte diese durch ungefilterte Bürgerfragen im Rat zu Tagesordnungspunkten untergraben oder gar ausgehebelt werden. Frau Nothing schien oder scheint zu befürchten, dass Fragen, die ein Bürger oder eine Bürgerin zur aktuellen Tagesordnung des Rates stellen würde, den geordneten Beratungsverlauf in irgendeiner Weise gefährden oder hemmen könnte.
Woher hat Frau Northing diese trübe Meinung von aktiver Bürgerbeteiligung? Auf welche negativen Erfahrungen kann sie dabei zurückgreifen oder verweisen? Etwa auf den Rat in Kevelaer, der ein solches Fragerecht längst eingeführt hat?
Kämmerer Haas stellte den Sachverhalt so dar: Die Stadtverwaltung wiegt die Belange des – von ihm nicht definierten! – Gemeinnutzes gegenüber dem Eigennutz selbstverständlich und „intensivst“ ab. Könnten die Bürger dazu im Rat Fragen stellen, dann würden die Mitglieder des Rates von der Abwägung der Verwaltung wegführen.
Weder Herr Haas noch Ausschussmitglieder, die der Parole „Gemeininteresse“ folgten, wollten die Möglichkeit einräumen, dass eine Ratsentscheidung durch Bürgerfragen klüger, weiser oder einfach nur verständlicher formuliert werden könnte. Manche in den spärlich besetzten Zuschauerreihen – die Presse war nicht erschienen – erinnerte dieses Beharren auf dem „Gemeininteresse“ an die Kampfparole „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“, die eigentlich seit 75 Jahren im Mülleimer der Geschichte liegen sollte.
Unwidersprochen wurde im Ausschuss die Forderung nach Erhalt des Kinderspielplatzes Eichenwinkel/Pastoratsweg als „Privatinteresse“ bezeichnet und damit abgewertet. Ja, es wurde sogar die Parole ausgerufen: „Das Einzelinteresse wird überhöht!“
Ich frage Sie: Gilt das ab heute auch im Umgang der Stadt mit dem Einzelinteresse eines Investors oder Bauherrn? Oder führen die in Kleve automatisch das Gemeininteresse in der Brieftasche mit?
Erfreulich, immerhin, dass der Vorsitzende des Ausschusses, Herr Goertz, den Kämmerer daran erinnerte, dass laut Gemeindeordnung eigentlich der Rat sein sollte, der abwägt, und nicht die Verwaltung!
Es soll ja in anderen Städten vorkommen, dass der Rat es sich allzu häufig bequem macht und die Vorlagen der Verwaltung ungeprüft durchwinkt anstatt die Argumente zu prüfen und selber abzuwägen.
Wie kommt Herr Haas auf die Idee, wenn sich Bürger für ihre Stadt einsetzen, dann geschähe das stets aus angeblichem Eigennutz?
Welches Bild hat Herr Haas von mündigen Bürgern?
Wenn jemand aus der Kavarinerstraße sich für eine gute Gestaltung des Stadtbad-Geländes einsetzt, dann soll das Eigennutz sein?
Wenn hunderte Bürger – auch aus Reichswalde und Bimmen – für den Minoritenplatz kämpfen, dann sollen sie alle das aus schierem Eigennutz tun?
Welchen potenziellen „Eigen“nutz will Herr Haas dabei erkannt haben?
Warum sollen die Kleverinnen und Klever nicht mindestens ebenso gut abwägen können, was am besten für ganz Kleve sein könnte, wie es Herr Haas für die Stadtverwaltung in Anspruch nimmt?
In Kevelaer hat sich seit vielen Jahren ein viel weitergehendes Fragerecht bewährt. Lässt der Rat in Kevelaer sich von Bürgerfragen in die Irre leiten? Oder traut Herr Haas den Ratsherren und -damen in Kleve so viel Rückgrat nicht zu?
Meine Damen und Herren, wenn Ratsmitglieder aufgrund von Bürgerfragen noch einmal nachdenken und vielleicht sogar eine Beschlussalternative formulieren würden, dann wäre das doch gelebte Demokratie, sozusagen „live“. Was wäre daran so verwerflich?
Dem vorliegenden Antrag, der eine durch Unterschriften unterstützte Anregung unseres Mitglieds Max Knippert aufgenommen hat, stimme ich zu.