Redebeitrag der „Offenen Klever“ auf der Kundgebung „Für Demokratie und Vielfalt“
Rede des Vorsitzenden der Fraktion Offene Klever, Udo Weinrich, am 9. Januar 2025 vor der Stadthalle in Kleve:
Liebe Kleverinnen und Klever!
Ich danke für Einladung, hier für die Offenen Klever sprechen zu dürfen. Und ich danke den Organisatoren dieser Veranstaltung!
Ich glaube, ich irre mich nicht, wenn ich die Behauptung wage, dass viele unter uns auch am 21. Januar des vergangenen Jahres dabei waren, als Tausende unter dem Motto „Zusammen gegen rechts“ in Kleve auf die Straße gingen.
Ich irre mich vermutlich auch nicht, wenn ich behaupte, dass niemand, der heute erschienen ist, die Wiederholung dieses Ereignisses erwartet hat.
Demonstrationen und Kundgebungen sind weder besonders erfolgreich, wenn Zehntausende daran teilnehmen und sich anschließend wieder in alle Winde verstreuen, noch sind sie ohne jeden Einfluss und ohne Folgewirkung, weil die Anzahl der Erschienenen keinen Rekord aufgestellt hat.
Was bleibt, was folgt, wenn wir heute Abend wieder auseinander gehen, das entscheiden wir alle und jeder bzw. jede Einzelne von uns.
Niemand unter uns ist doch so naiv zu glauben, man müsse nur einmal an einer Demonstration gegen rechts teilnehmen und schon sei das Problem erkannt und die Gefahr gebannt.
Und nur weil die AfD die heute in der Stadthalle geplante Veranstaltung abgesagt hat, ist das Eintreten für Demokratie und Vielfalt nicht überflüssig geworden. Ganz im Gegenteil!
Diese Unterschätzung der Gefahr von rechts sollten wir den parteipolitischen Sonntagsrednerinnen und -rednern überlassen!
Wer und was ist überhaupt „rechts“? Etwa „nur“ die AfD – von einigen extremen, offen faschistischen Splittergruppen einmal abgesehen?
Wo endet der sogenannte Rechtskonservatismus und wo beginnt der Rechtsextremismus mit gleitenden Übergängen zum Faschismus?
Das ist keine rhetorische oder akademische Frage!
Rechts“ – das war einmal auch der Sammelbegriff für Rassismus und Antisemitismus. Aber dem Bekenntnis demokratischer Politiker zum Trotz, wonach der Antisemitismus in unserer Gesellschaft keinen Platz habe – er war nie weg, er ist sogar stärker geworden. Er hat – als „Anti-Zionismus“ getarnt – mittlerweile auch in der sogenannten politischen Mitte und in den Resten einer ehemals staatsfixierten, autoritären Linken, die jetzt AfD-Themen kopiert, eine Heimat gefunden.
„Rechts“ – das ist nicht nur die AfD!
Schauen wir uns den jetzt anlaufenden Kurzwahlkampf zur Bundestagswahl am 23. Februar 2025 an:
Findet da nicht ein bestürzend-platter, verdummender und verlogener Wahlkampf statt, der sich gegen Flüchtende richtet?
Ist das denn nicht ein erbärmlicher Wettbewerb im Appell an niedere Instinkte, wenn Vorurteile bedient und die Angst vor angeblicher „Überfremdung“ – was für ein Begriff aus dem Wörterbuch des Unmenschen! – geschürt wird? Und zwar geschürt mit dem gleichzeitigen Versprechen, im Besitz der Patentlösung zu sein: Abschieben!
Und dieses vergiftete Versprechen ist längst nicht mehr das „Alleinstellungsmerkmal“ der AfD!
Es sind nicht länger nur Repräsentanten dieser Partei, die Menschen ausgrenzen, abschieben und damit auch Krieg und Verfolgung aussetzen wollen.
Nein, die sogenannte demokratische Mitte bewegt sich in diesem Biotop, versucht, in diesem Revier zu „wildern“, um am Wahltag vor der AfD zu liegen.
Der eine Kanzlerkandidat warnt vor der FPÖ – das würde die AfD niemals tun – und will arbeitslose Syrer abschieben – das hätte die AfD nicht klarer formulieren können!
Abgeschoben werden Menschen in ein Land, das von Islamisten regiert wird. Europa und die USA sind gerade dabei, diesen „Warlords“, die sich gelegentlich in Anzüge schmeißen, auf den Leim zu gehen.
Der andere Kanzlerkandidat fordert die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit für deutsche Staatsangehörige, die nach ihrer Einbürgerung zweimal straffällig geworden sind. Dass das Grundgesetz keine Unterscheidung zwischen eingebürgerten und geborenen Staatsangehörigen kennt, wird so einfach weggewischt.
Seine Schwesterpartei will Schutzsuchende an der Grenze zurückweisen.
Was offensichtlich zählt, ist der populistische Effekt.
Das, liebe Kleverinnen und Klever, ist so erschreckend und bestürzend, dass ich befürchte, der demokratische Konsens, das Bekenntnis zur Brandmauer gegen rechts, wird sich in Luft auflösen, sollte die AfD im Bund stärkste Fraktion werden.
Österreichische Verhältnisse sind auch in unserem Land möglich!
Schauen wir uns doch mal genauer an, wie die sogenannte demokratische Mitte in den Niederungen der sogenannten Realpolitik agiert, wenn es gilt zu beweisen, dass die „Brandmauer“ gegen die AfD steht!
Ich nenne nur zwei Beispiele:
- Im sächsischen Landtag sind seit der Wahl am 1. September 2024 AfD, BSW, CDU, Grüne, Linke und SPD vertreten. Am 1. Oktober 2024 wählte der sächsische Landtag ein Mitglied der AfD-Fraktion zum ersten Vizepräsidenten des Landtags. Das Protokoll vermerkt dazu: „(Beifall CDU, AfD, BSW […])“
- Im Landtag von Brandenburg sind seit der letzten Wahl nur AfD, BSW, CDU und SPD vertreten. Am 17. Oktober 2024 wählte der Landtag ein Mitglied der AfD-Fraktion zum Vizepräsidenten, nachdem zuvor EINSTIMMIG beschlossen worden war, die Zahl der Vizepräsidenten von zwei auf drei zu erhöhen. Das Protokoll der Sitzung hält dazu fest: „(Beifall AfD und BSW)“
In Österreich gilt das Nein der Christlich-Konservativen zur Zusammenarbeit mit der fremdenfeindlichen FPÖ nicht mehr. In Schweden amtiert eine Minderheitsregierung aus Konservativen und Liberalen, die auf die Unterstützung durch die rechtsextremen Schwedendemokraten angewiesen ist. In Italien ist eine Neofaschistin Regierungschefin…
Das alles ist nur ein kleiner Ausschnitt aus einem Europa, das dabei ist, sich selbst und seine demokratischen Werte aufzugeben!
Da machen wir nicht mit!
Und in Kleve?
Anlass unserer heutigen Kundgebung war der sogenannte Bürgerdialog der AfD, der nun abgesagt worden ist.
Wir sind gefasst darauf, dass man uns aus diesen Kreisen vorwerfen wird, wir würden die AfD einschüchtern oder daran hindern, das Grundrecht auf Kritik wahrzunehmen.
Dazu sagen wir:
Dieses Recht hat dort seine Grenze, wo Kritik in Hass, Demagogie, Geringschätzung, Verhöhnung oder Verächtlichmachung demokratischer Institutionen und Regeln und abgleitet.
Es kann und darf keine Toleranz gegenüber der Intoleranz geben!
So ermutigend und richtig die heutige Demonstration auch ist. Morgen ist wieder Alltag. Und da muss der Kampf für die offene Gesellschaft geführt werden. Im Gespräch. Ob am Arbeitsplatz, auf der Straße, an der Verkaufstheke, in der Kneipe oder im Freundeskreis. Dort sollte unsere Botschaft lauten: „Für Demokratie und Vielfalt!“
Und da gibt es keinen Kompromiss!