“Im Rathaus gibt es eine tiefsitzende Angst vor der Öffentlichkeit!”

Interview mit unserem Fraktionsvorsitzenden

Die RP Kleve/Emmerich hat ein Interview mit unserem Fraktionsvorsitzenden Udo Weinrich geführt. Lesen Sie, was er zur Stimmung im Rat und zu aktuellen Klimaschutzthemen sagt:

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Hier das Interview:

Herr Weinrich, immer wieder war zuletzt von schlechter Stimmung im Klever Rat die Rede. Wie schauen Sie darauf?
Udo Weinrich Ich bin erstaunt, wer sich derzeit über schlechte Stimmung im Rat beklagt. Das sind vor allem Kräfte, die sich vehement gegen die Übertragung von Ratssitzungen wehren. Dabei könnten Außenstehende dann sehen, wer sich wie benimmt, wie die politische Kultur ist. Anderen möchte ich keine Haltungsnoten geben, aber wir machen die schlechte Stimmung jedenfalls nicht. Und ich finde: Diskussion und  auch streitig geführte Debatten gehören in der Politik dazu.

Sehen Sie die Offenen Klever als klassische Oppositionskraft gegenüber Schwarz-Grün?
Weinrich Da ist sicher etwas dran. Aber es ist auch unser Anspruch, zu gestalten. Das gelingt uns immer wieder mit parteiübergreifenden Anträgen. Es sind vielleicht nicht die großen Würfe, aber wir nehmen eine aktive Rolle ein. Auch, indem wir Transparenz anmahnen. Leider häufig vergebens. Im Rathaus gibt es eine tiefsitzende Angst vor der Öffentlichkeit.

Im nächsten Jahr steht die Kommunalwahl an. Wird Ihre Fraktion danach Teil einer Mehrheitskooperation?
Weinrich Ich möchte darauf hinweisen, dass es schon jetzt eine Gestaltungsmehrheit ohne die CDU geben könnte. Die wichtige Frage ist daher, ob die Ratsgrünen nach 20 Jahren weiterhin der CDU-Politik zur Mehrheit verhelfen wollen. Wenn sie echte Klimaschutzpolitik wollen, stehen wir für eine Zusammenarbeit bereit.

Wie sähe echte Klimaschutzpolitik in Kleve aus?
Weinrich Ein wichtiger Faktor ist der Wohnungsbau. Noch immer wird deutlich zu viel Fläche versiegelt. Es gibt bei Neubauten in Kleve mittlerweile die Vorgabe, dass nicht mehr als 50 Prozent versiegelt werden darf. Das halten wir für ambitionslos. Dabei werden Hitzeinseln das Leben in der Stadt immer stärker prägen. Da ist es geradezu absurd, dass wir das neue Konrad-Adenauer-Gymnasium in eine Kaltluftschneise bauen. Diese beiden Punkte zeigen: Klimaschutz wird in Kleve halbherzig gemacht.

Die Offenen Klever hatten gegen eine Bewerbung für die Landesgartenschau 2029 gestimmt. Doch sie wird tatsächlich in der Kreisstadt stattfinden. Schafft die Verwaltung das?
Weinrich Ich habe da meine Zweifel. Zumal die Stadt immer wieder erklärt hat, dass man im Rahmen der Laga Projekte umsetzen will, die sowieso angestanden hätten. Immer wieder war von Sowieso-Kosten die Rede. Da wundert es mich schon, dass wir plötzlich über den Nachtragshaushalt eine Million Euro Planungskosten für die Laga bewilligen sollen. Und zwar ohne zu wissen, wofür. Das zeigt: Diese Laga-Bewerbung wurde mit heißer Nadel gestrickt.

Kämmerer Klaus Keysers hat die Ausgabefreudigkeit der Politik kritisiert. Hat er einen Punkt?
Weinrich Wir Offenen Klever haben zum Haushalt ausschließlich Änderungsanträge mit einem Vorschlag zur Gegenfinanzierung gemacht. Wir fühlen uns daher nicht angesprochen. Der Alarmismus des Kämmerers passt aber auch nicht zu seinem Werben für die Laga. Da spielten Kosten plötzlich keine Rolle mehr. Wir haben vorgeschlagen, ein Gremium ins Leben zu rufen, das sich mit der Haushaltskonsolidierung befasst. Aufgegriffen wurde die Idee nicht. Dabei sind die Herausforderungen groß. Wir investieren viel Geld in Schulen und Sportzentren. Und es gibt eine Sache, über die noch niemand spricht, die aber sehr teuer wird: die Kanalsanierung.

Im Jahr 2020 sind Sie als Bürgermeisterkandidat angetreten, Sie holten im ersten Wahlgang 6,9 Prozent der Stimmen. Ist eine Kandidatur 2025 wieder eine Option?
Weinrich Ich habe intern klargemacht, dass ich dazu bereit wäre. Noch lieber aber wäre mir ein unabhängiger Kandidat, der über den Parteien steht und damit eine echte Alternative zu Wolfgang Gebing wäre. Wir suchen einen unabhängigen Bürgermeister.

Dem Vernehmen nach gibt es bereits Gespräche zwischen SPD, FDP und Offenen Klevern.
Weinrich Gespräche gibt es unter Demokraten immer, und ich halte es auch für der Mühe wert, gemeinsam nach einer Person zu suchen, die nicht zu den „üblichen Verdächtigen“ zählt und gerade deshalb eine echte Chance hat. Wir wollen einen Bürgermeister, der über die Fraktionsgrenzen hinweg denkt und zusammenführt. Und weil die Grünen derzeit nach der CDU die größte Fraktion sind, hätten sie aus meiner Sicht sogar eine Art Vorschlagsrecht. Aber dafür wäre es zunächst einmal wichtig, zu wissen, wer für die Grünen spricht.

Auch die Freien Wähler und die Europapartei Volt haben sich für die Ratswahl 2025 in Stellung gebracht. Echte Konkurrenz für die Offenen Klever?
Weinrich Mit den Freien Wählern des Herrn Aiwanger haben wir keine Schnittmengen, da würden wir auch sehr deutliche Kontrapunkte setzen. Volt ist eine interessante Gruppe. Da sehe ich gemeinsame Politikansätze. Wir sind gesprächsbereit.

Wie viel Zeit investieren Sie in die Lokalpolitik?
Weinrich Es sind etwa vier bis fünf Stunden täglich, der Aufwand ist groß, vor allem, weil die Verwaltungsspitze den Informationsfluss nicht gerade fördert. Zeit beanspruchen nicht nur um Sitzungen, man muss auch viel lesen, recherchieren und Gespräche führen.

Vier bis fünf Stunden täglich kann der Durchschnittsarbeitnehmer nicht aufbringen. Droht der Rat so nicht zu einem Rentner-Rat zu werden?
Weinrich Ja, die Gefahr sehe ich. Viele Sitzungen beginnen schon um 16 Uhr, vorbereitende Gespräche um 15 Uhr. Für mich als Rentner ist das kein Problem, für viele Berufstätige aber schon. Wir müssen dringend beraten, wie wir die Ratsarbeit attraktiver gestalten können.

Die FDP hat vorgeschlagen, das Radfahren in der Fußgängerzone zu verbieten. Eine gute Idee?
Weinrich Nein. Ich bin vor allem verwundert, dass der Vorschlag von einer Partei kommt, die vorgibt, gegen Verbote zu sein. Es wäre aus meiner Sicht eine gute Idee, einen Mittelstreifen einzurichten, auf dem Radfahrer unterwegs sein könnten. Und: Ein Verbot ohne Kontrollen ist wirkungslos. Dafür brauchten wir Personal, das kostet.

Die Fragen stellte
Maarten Oversteegen