Erklärung in der Ratssitzung am 21.06.2023:
Zwischen der Einbringung des 352-seitigen Entwurfs am 07.06. und der Beschlussfassung darüber am 21.06.2023 liegen gerade einmal 14 Tage.
Vier Tage nach Einbringung lief die Frist zur Einbringung von Anträgen für die heutige Ratssitzung ab.
Es war nicht möglich, zum Nachtragshaushalt Änderungsanträge im Rahmen der Fristen der Geschäftsordnung fraktionsintern zu beraten, zu beschließen und vorzulegen.
Der Stadtkämmerer hatte in seiner Einbringungsrede zum Haushaltsentwurf unter anderem ausgeführt, „die Prognoserisiken im kommenden Haushaltsjahr (sind) größer als sonst.“ Den Haushaltsentwurf ohne verbindliche Rahmendaten vorzulegen, entsprach zwar dem Klever Standard, war und ist jedoch nicht alternativlos. Wesentliche Eckdaten fehlten.
Jetzt werden sie nachgeliefert.
Es stellt sich heraus, dass die Erträge wachsen. Es stellt sich heraus, dass die Kreisumlage sinkt. Zwar sinken auch die Schlüsselzuweisungen des Landes, aber das wirkt sich entlastend auf die Umlage an den Kreis auswirkt.
Die Gewerbesteuer spült der Stadt in diesem Jahr zusätzliche 3 Mio. EUR in die Kasse. Mehrerträge gibt es auch bei der Volkshochschule, für Flüchtlinge aus der Ukraine, bei Landesmitteln für die Energiepauschale und – als Billigkeitsleistung – für Alltagshelferinnen
Doch anstatt dem Rat und seinen Fraktionen die Gelegenheit zu geben, sich intensiv mit diesen Zahlen zu befassen, um möglicherweise neue oder andere Prioritäten zu setzen, muss alles ganz, ganz schnell gehen. Wieso diese Eile?
Dazu gehört dann auch, dass die Prioritätensetzung der Stadtspitze – ohne Einbindung und Beteiligung eines Fachausschusses – bestätigt wird:
- Dass Maßnahmen zur Abmilderung der Folgen des Klimawandels höhere Priorität bekommen als Maßnahmen zur Treibhausgas-Reduktion (S. 11), ist nicht Ergebnis einer Ausschuss-Beratung oder eines Ratsbeschlusses, sondern von der Stadtspitze entschieden worden. Dazu passt das Nein der Stadtspitze zu weiteren Mitteln für Balkon-Solaranlagen; gefeiert wird das „herausragende Ergebnis“ im Jahr 2022.
- Die Stadtverwaltung „pusht“ den Bebauungsplan für den Bereich „Hoher Weg / Köstersweg“ und streicht zugleich im Nachtrag die Mittel für den Tiefbau.
- Die Mittel für die weitere Erschließung des Gewerbegebiets an der Karl-Kisters-Straße werden im Nachtrag gestrichen und auf 2025 verschoben. Dabei wurde im öffentlichen Teil der letzten Sitzung des Liegenschaftsausschusses festgestellt, Kleve fehlten Gewerbeflächen.
- Bei den Kanalbauten sollen insgesamt rd. 1,24 Mio. EUR bereits veranschlagter Mittel gestrichen werden. Das ist weder nachhaltig noch zeugt es von sorgfältiger Planung des Bedarfs, wenn Beträge in dieser Größenordnung verschoben werden.
- Ebenso gestrichen und nach 2025 geschoben werden die Mittel für den Kanalbau im Bereich des Bebauungsplans Pannofenstraße/Bartelgasse. Erst wird richtig Druck auf den Kessel gebracht und dann lässt man den Ofen ausgehen.
Im Nachtragshaushalt findet sich dazu die rätselhafte Formulierung:
„Die Ein- und Auszahlungen für den Bereich Tiefbau wurden tatsächlichen Gegebenheiten angepasst.“ (S. 7)
Welche Tatsachen haben hier entschieden? Fehlendes Personal? Wurden diese Investitionen in den Haushalt 2023 eingestellt, obwohl sie nicht dringlich waren? Wieso soll in 2025 realisierbar sein, was jetzt gestrichen worden ist?
Seien wir fair: Es wird nicht nur gestrichen, sondern es wird auch etwas neu eingestellt – ebenfalls ohne Einbindung und Beteiligung eines Fachausschusses.
Wir haben mehrfach aus dem Munde des Stadtkämmerers gehört, was alles nicht finanzierbar sei: zum Beispiel 40.000 EUR für Balkon-Solaranlagen. Zugleich stellen wir erstaunt fest, dass mehr als Dreifache dieses Betrags, 135.000 EUR, veranschlagt werden, um eine Machbarkeitsstudie für eine Landesgartenschau in Kleve zu finanzieren. Es ist also doch noch finanzieller Spielraum für Neues vorhanden! Auch dazu haben Bürgermeister und Kämmerer bis heute keine Fachausschuss-Beratung als erforderlich angesehen.
Ebenfalls ohne Ausschuss-Information und -Beratung sind Planungskosten in enormer Höhe entstanden und bewilligt worden: für die Oberstadtentwässerung und für eine Unterführung am Bahnhof. Eckpunkte dieser Planungen sind in keinem Fachausschuss auch nur vorgestellt worden! Diese Maßnahmen sind geparkt in den Haushalten der städtischen Töchter und werden in der Umsetzung Millionen kosten.
Erfreulich ist der Förderantrag für kommunale Wärmeplanung, den die Stadt im Mai 2023 gestellt hat; im April 2023 hatten die Offenen Klever das beantragt.
Bei der VHS wird nicht einmal die Hälfte der für 2023 geplanten Studienreisen stattfinden. Worauf ist das zurückzuführen? Diese Streichung führt nicht nur zu Minderaufwendungen, sondern auch zu Mindererträgen.
Im Museum Kurhaus wird eine Ausstellung „nicht weiter mit eingeplant.“ (S. 122). Über den Grund dafür findet sich kein Wort. Wer hat so entschieden und warum? In toto erhöht sich der Zuschussbedarf für das Museum um rd. 150.000 EUR auf mehr als 1,4 Mio. EUR.
Als Beitrag zur Kulturförderung werden 30.000 EUR zusätzlich für die „Erneuerung des Inventars“ bereitgestellt. Insgesamt stehen dafür rd. 74.000 EUR zur Verfügung. Das alles geschieht „im Rahmen der weiteren Verpachtung“ (S. 123), deren Details weder einem Ausschuss noch dem Rat insgesamt vorgestellt worden sind.
Während die Überbrückungshilfe für das „Haus Koekkoek“ von 25.000 EUR auf einen Ratsbeschluss aus Dezember 2022 zurückgeht, ist der Zuschuss von 5.000 EUR für Veranstaltungen im „Spiegelzelt“ ohne Ratsbeschluss aufgenommen worden. Diese widersprüchliche Praxis ist erklärungsbedürftig.
Die Änderung der Parkgebühren sollte ursprünglich Mehreinnahmen von rd. 500.000 EUR einbringen. Dem Nachtragsentwurf ist zu entnehmen, dass Mehrerträge in Höhe von 300.000 EUR erwartet werden. Ob diese Mindereinnahme in Höhe von 200.000 EUR mit der sehr spät bzw. noch gar nicht erfolgten Umstellung der Parkuhren auf die neuen Tarife zusammenhängt? Sollte der Bürgermeister unsere Anfrage vom 17. Mai beantworten, werden wir hoffentlich schlauer sein.
Wieso wird der Ansatz für Schulsozialarbeit reduziert?
Wieso sind die 2022 für die Umsetzung des Grünkonzepts veranschlagten 50.000 EUR bis heute nicht ausgegeben worden?
Dass im Rathaus eine Person fehlt, die beispielsweise dafür sorgt, dass die im (längst überholungsbedürftigen) Radwegekonzept veranschlagten Maßnahmen umgesetzt werden, belegt die Tatsache, dass rd. 61.000 EUR nicht ausgegeben worden sind. Ebenfalls „auf Halde“ liegen 40.000 EUR aus 2022 für „Barrierefreiheit auf der Fußgängerzone“. Das hat mit Mobilität wohl nichts zu tun?!
Die im Haushalt 2023 gegenüber 2022 drastisch gekürzten Mittel für den Klimaschutzmanager und für Klimaschutzmaßnahmen werden nicht aufgestockt.
Generös ist die Stadtspitze, wenn es um die eigenen Angelegenheiten geht: Finanzierbar ist, aus Sicht der Stadtspitze, eine zusätzliche Beamtenstelle („höherer Dienst“, A 14) für das Bürgermeisterbüro.
Die Tochtergesellschaften USK und GSK entlasten den städtischen Kernhaushalt – zum einen durch geringere Energiekosten, zum anderen durch ein verbessertes Ergebnis. Die um rd. 400.000 EUR höhere Gewinnabführung der USK ist jedoch das Ergebnis unterlassener oder verschobener Investitionen. Das ist keine Lösung, sondern ein Verschiebebahnhof.
Es gilt, was wir zum Haushalt 2023 festgestellt haben:
„Die Offenen Klever werden sich ernsthaften Bemühungen zur Sicherung der finanz- und klimapolitischen Handlungsfähigkeit der Stadt Kleve niemals entziehen oder gar widersetzen. Für Haushaltskosmetik und das gegenseitige Schonen und Mästen „Heiliger Kühe“ sind wir jedoch nicht zu haben. Weitere unverbindliche Konsolidierungstreffen reichen nicht aus.
Einer Politik des Vertagens und Verschiebens wichtiger Entscheidungen können die Offenen Klever nicht zustimmen.
Das gilt noch immer. Der Nachtragshaushalt 2023 ist für uns nicht zustimmungsfähig.