Haushaltsrede 2002

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
werte Herren der Verwaltung,
geschätzte RatskollegInnen,
liebe ZuhörerInnen !

Die alljährliche Rede des Kämmerers ist „für mich persönlich“ immer der Auf-takt zum Karneval, weil sie mehr oder weniger humoristisch durchaus ernsthafte Inhalte verpackt.  Für 2002 wählte er das Gleichnis, dass Kleve erst am Schnup-fen leide, wenn andere Städte längst mit Lungenentzündung darniederlägen.

Das klingt irgendwie tröstlich, sagt aber eher etwas über jene anderen aus als über Kleve selbst. Hat Kleve schon den Schnupfen?  Oder steht gar bereits die Lungenentzündung auf finanzieller Ebene bevor?

Bei eingehender Lektüre des Haushaltsplanentwurfes überkommt einen jeden-falls jenes Frösteln, das als sicherer Vorbote des Schnupfens gilt.

Gebürenerhöhungen stehen an, höchst kostspielige Straßenumbaumaßnahmen in der Unterstadt müssen, weil so beschlossen, finanziert werden, obwohl das Be-bauungskonzept ‚Minoritenplatz’ längst wieder in Frage steht und damit auch die Notwendigkeit der neuen Verkehrsführung, und manche andere teure Kröte wer-den die KleverInnen zu schlucken haben, wohingegen vom Wunschzettel zukünf-tig einiges zu streichen ist. Daß dies nicht etwa einer unseriösen oder allzu an-spruchsvollen Haushaltsführung zuzurechnen ist, sondern u.a. den deutlich ver-schlechterten Vorgaben von Bund und Land zu Lasten der Kommunen, sei hier fairerweise erwähnt.


Dennoch gibt es natürlich auch die „hausgemachten“ Kröten; als Beispiel dafür, was uns besonders übel aufstieß, sei hier der höchst ärgerliche Abriss des Alten Schützenhauses genannt, der unter der Bezeichnung „Renovierungsmaßnahmen“ auftaucht !

Unsere kleine aber emsige Fraktion ist nun mit wachen Augen in Kleve unter-wegs, um weitere erhaltenswerte Gebäude zu entdecken, denen demnächst eine ähnliche Renovierung drohen könnte, und sie, wenn möglich, zu retten. Denn in Kleve gehört es leider immer noch nicht zum guten Ton, pfleglich mit histori-schen Gebäuden umzugehen, geschweige denn, mit diesem Pfunde zu wuchern. Doch wen wundert das letzlich, fehlt doch den Klever Stadtplanern – fast jeder Couleur – eine Vision davon, wie Kleves Stadtbild sich in den nächsten 10, 20 Jahren entwickeln soll!  Da nutzen weder umfangreiche Gutachten, die in Schränken verstauben, noch Arbeitsgruppen, die zwar ungefähr wissen, was man nicht will, aber absolut nicht, wohin man planen muß, um das Gesicht der Stadt zu erhalten und sensibel zu ergänzen.

Wir haben nie nachvollziehen können, warum die Entscheidungsträger in Rat und Verwaltung ihre Verantwortung so bereitwillig in die Hände von verdächtig häu-fig wechselnden Interessenten und Investoren legen wollen. Ist dabei je etwas Gutes, Zukunftweisendes entstanden?

Bleibt zu hoffen, dass die Planer der „Neuen Mitte“ im Herzen der Stadt neben ihren berechtigten Profit-Interessen auch das Stadtbild im Auge behalten. Bleibt zu hoffen, dass dies gleichfalls gilt für das Hoffmann-Gebäude – und wer weiß schon, welche Gerüchte sich bewahrheiten – auch für ein weiteres großräu-miges Areal in der Unterstadt. Planungssicherheit fehlt allüberall, denn es fehlt, wie gesagt, das stadtübergreifende Konzept. Oder wie ist es zu erklären, dass bisher weder sicher ist, wer die Tiefgarage für das „Neue- Mitte- Projekt be-zahlt, noch ein verkehrsgerechter Platz dafür gefunden wurde? Etwa neben der nie ausgelasteten Stechbahn-Tiefgarage? Die rasch hingeworfene Idee, ein neu-es Rathaus in Sichtweise des jetzigen auf den Minoritenplatz zu setzen, als Lü-ckenfüller sozusagen, ist wohl auch mehr eine Dokumentation der Hilflosigkeit in Planungsfragen als ein ernstzunehmender Vorschlag. Sollte sich in einiger Zeit tatsächlich nachweisbarer Bedarf  für ein neues Rathaus ergeben, und für das Grundstück des jetzigen eine sinnvolle Nutzung, könnten wir uns durchaus als geeigneten Standort das Postgelände an der Hagschen Straße vorstellen, günsti-ger gelegen am großen Zuzugsbereich Oberstadt. Grundsätzlich jedoch sollte man gerade in dieser Frage, denn ein Rathaus ist schließlich das Bürgerhaus schlechthin, Bürgerbeteiligung bei der Entscheidungsfindung verstärkt heran-ziehen.

Apropos Oberstadt: angesichts der Planlosigkeit in Sachen Stadtgestaltung kann es nicht verwundern, wenn ein bekannter Klever Geschäftsmann mit dem Gedanken spielt, an der Hoffmannallee ein großräumiges Einkaufszentrum zu erstellen.

Nur mal angenommen, die Neue Mitte hielte ebenfalls die vorgesehenen Ver-kaufsflächen bereit und die Minoritenplatzbebauung käme mit weiterem Ver-kaufsflächenangebot daher; woher sollten – bitteschön – all` die qualifizierten Anbieter mit den hochwertigen Waren kommen, woher die kaufkräftigen Kunden, und wie sollte Kleve überhaupt diesen erdrückenden Zuwachs an Geschäftsflä-chen integrieren?

Angesichts dieser Horror-Szenarien bleibt nur noch der Griff nach der Not-bremse! Dies sei hier mit aller Deutlichkeit gesagt!

Und bei „Notbremse“ fiel uns dann das Hick-Hack um das Stadtbussystem ein. Seit Jahren macht man sich kundig, wie es in anderen Städten funktioniert. Gut funktioniert es. Trotzdem muß natürlich das eine oder auch noch ein zusätzliches Gutachten her. Das dauert alles sehr lange und ist teuer. Die Erwartungen stei-gen. Aber – ätsch, jetzt soll`s doch wieder die Niag bringen mit einem ganz leicht erweiterten Angebot. Es kreißte der Berg und gebar – eine Maus! Oder klassisch ausgedrückt: viel Lärm um nichts. Die Gutachter allerdings dürften zu-frieden sein. Gutachter müssten Kleve eigentlich lieben; manche haben hier seit Jahrzehnten eine ertragreiche Pfründe.

Klevische Spielart von Wirtschaftsförderung?

Wir hingegen sähen solche Gelder lieber anderweitig verwendet, z.B. zur drin-gend erforderlichen Renovierung der städtischen Notunterkünfte—nein, keine Renovierung nach Art des Schützenhauses, sondern echte Instandsetzung, damit die darin kurzfristig untergebrachten Menschen keiner gesundheitlichen Ge-fährdung ausgesetzt sind.

Oder bei der Wiedereinsetzung des schulpsychologischen Dienstes, dessen Notwendigkeit von Lehrern aller Schulformen in Kleve bestätigt wird. Oder bei der Obdachlosenunterkunft am Selfkant, wo ohne neue Ordnungsstrukturen der Weiterbetrieb der Einrichtung kaum noch verantwortbar ist. Oder sei es auch in angemessenen Präventionsmaßnahmen für die Niederung angesichts kommender Hochwasser!

Da sich insbesondere dieses letztgenannte Problem nicht im Eilverfahren einer Haushaltsdebatte abhandeln lässt, haben wir diesmal ganz auf eigene Haushalts-anträge verzichtet. Die mehr und weniger leidvollen Erfahrungen in vergangenen Jahren haben uns gezeigt, wie rasch sinnvolle Anträge abgelehnt werden, wenn nicht die „richtigen“ Parteinamen darüberstehen.

Andererseits ergeben sich im Laufe des Haushaltsjahres Möglichkeiten, solche Anliegen vorzubringen, zu diskutieren und auch umzusetzen. Auf diese Weise haben wir schon etliche unserer Anträge unter anderem Etikett wiedergesehen – warum nicht? Uns geht es um die Sache.

In diesem Zusammenhang wünschen wir den neuen Grünen Glück für ihren An-trag zum Selfkant, den wir seit ca. 3 Jahren stellten und natürlich weiterhin un-terstützen.
 
Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass uns bei der Beschäftigung mit dem Klever Schnupfen nicht aus den Köpfen ging, dass in anderen Gegenden der Welt Menschen unter der schrecklichsten aller Krankheiten leiden: dem Krieg.

Wir hoffen, dass es den Regierenden gelingt, dieses Leiden so bald wie möglich zu beenden.

Für das Jahr 2002 wünsche ich uns allen Gesundheit!

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

 

 

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